Erlebnispädagogik bedeutet auf eine Art und Weise zu lernen, Erfahrungen zu sammeln und persönliche sowie gruppenbezogene Themen zu bearbeiten, ohne dass ständig der Blick zur Uhr wandert. Erlebnispädagoginnen und Erlebnispädagogen streben genau deshalb auch stets an, möglichst viel Zeit für eine angemessene Durchführung erlebnispädagogischer Aktionen zur Verfügung zu haben.
Erwachsene mögen sich vielleicht daran erinnern früher mit ein paar Freunden draußen ein Baumhaus gebaut oder einen Staudamm an einem Bach errichtet zu haben. Die Zeit spielte bei solchen Tätigkeiten keine Rolle. Wichtig war nur, das Projekt abzuschließen und mit Leben zu füllen. Die Zeit wurde einem erst dann wieder bewusst, wenn es Ärger von den Eltern gab, weil man mal wieder viel länger als erlaubt draußen geblieben war. Doch der Ärger war bedeutungslos verglichen mit den Erfahrungen, die an solchen Tagen in Gemeinschaft mit anderen gemacht wurden. Man ging auf in der Gruppe, im Tun und in den eigenen Fähigkeiten. Man war voll und ganz im Fluss des Lernens.
Dieser Fluss – im erlebnispädagogischen Kontext mit der englischen Vokabel als „Flow“ bezeichnet – ist es, worauf in erlebnispädagogischen Settings immer wieder gehofft wird, und der sich glücklicherweise auch immer wieder einstellt.
Menschen in Settings der Erlebnispädagogik bzw. von Outdoor-Coachings handeln, arbeiten und erleben im Hinblick auf eine im Vorfeld definierte Zielsetzung. Sie dürfen sich hier ganz auf die Aufgabenstellung(en) einlassen, brauchen i. d. R. selbst keine Uhr. Kein Pausenzeichen unterbricht das Geschehen an einem vielleicht gerade entscheidenden Punkt. Wir machen Pausen nach Bedarf und auch zwischen den Aufgaben bzw. während Reflexionsrunden bleiben wir im Setting. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bleiben in Kontakt mit der Umgebung und es ist für ein stimmiges Ambiente gesorgt, um eine entwicklungsfördernde Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen Menschen zu ermöglichen.
Der Prozess steht während einer Aktion immer im Vordergrund. Wir wissen selbst vorher nicht in welche Richtungen der Fluss fließen mag. An manchen Stellen mag es stürmisch und sprudelnd voran gehen. An anderen Stellen gibt es vielleicht einen zu starken Widerstand, sodass ein neuer Weg gefunden werden muss. Schließlich mag sich der Prozess in ein weitläufiges Becken ergießen, in dem ein ruhiger, aber sehr genauer Blick in die Tiefe möglich wird…
Sich selbst im Flow zu erleben ist der Topzustand im Rahmen von Erfahrungslernen. Ein Rädchen greift ins andere. Man weiß vielleicht noch nicht, wie man letztlich zum Ziel kommt, doch man (er-)kennt den nächsten Schritt schon sehr genau.
Doch der Flow lässt sich nicht auf Knopfdruck herstellen. Manchmal geht es sehr schnell, manchmal dauert es auch etwas länger. Und deshalb benötigt die Erlebnispädagogik Zeit, wenn sie auf eine dem Menschen angemessene Weise wirken soll. Zeit ist Leben, daher benötigt auch das Erleben Zeit. Zeit zum Ankommen, zum Eingewöhnen, zum aktiven Gestalten. Aber auch Zeit zum Innehalten, zum Erkennen und für zwischenmenschliche Begegnungen. So besteht im Rahmen erlebnispädagogischer Settings eine gute Chance schließlich im Fluss zu sein und selbigen zu erleben.